Die Benediktinerabtei Ettal in Geschichte und Gegenwart

Betätigungsfelder Kloster Ettal

  • Klosterleben mit der Benediktinerabtei, dem Pfarramt und der Neugründung des Kloster Wechselburg (Nähe Chemnitz)
  • Schule und Internat
  • Klosterbetriebe wie zum Beispiel Klosterbrauerei Ettal, Destillerie, Parfümherstellung und Klosterapotheke, Hotelbetrieb „Ludwig der Bayer“, Buch- und Kunstverlag, Landwirtschaft, Schaukäserei

Zur Geschichte des Klosters

Kloster EttalVerglichen mit den großen, bedeutenden Klöstern des Mittelalters im altbayerischen Raum ist Ettal relativ spät entstanden. Seinen Ursprung verdankt es dem „Herzog von Bayern-München“, zugleich römisch-deutschen Kaiser Ludwig IV., genannt der "Baier", dieser Begriff ursprünglich ein Schimpfwort des dem Kaiser gegnerisch gesinnten Papstes. Die Absichten sind der Überlieferung nach in einer Gelöbnisstiftung in einem dem Mittelalter vertrauten Sinne zu suchen, zum anderen in reichsrechtlichen und landesherrlichen Gründen, die hier nicht näher erörtert werden können, sowie des weiteren in handelspolitischen Zielen. Geistig-geistliches und handfest Praktisches gingen hier eine Verbindung ein. Die Überlieferung der Gründung steht beziehungsreich zwischen Historie und Legende, wobei die Tatsache des Romzuges des Kaisers im Jahre 1328 das historische Datum angibt. Zum anderen existiert als bildhaftes Dokument die Marmorstatuette der Ettaler Madonna im Hochaltar der Kirche, die der Kaiser jedenfalls von diesem Italienfeldzug mitgebracht hat.

Tatsache ist auch die politisch und finanziell äußerst bedrängte Lage des Kaisers, gebannt vom Papst, bedroht von den norditalienischen Städten.

In dieser Situation gelobte der Kaiser wohl die Stiftung Ettals. Mittel- und Brennpunkt des Klosters bildet jedenfalls bis heute das vom Kaiser seiner Stiftung geschenkte Madonnenbild. Als Gründungs- und Stiftungstag des Klosters gilt der 28. April 1330. Mit der Gründung einer Mönchsgemeinschaft sollte auch eine Lebensgemeinschaft von Rittern und ihren Frauen verbunden werden, ähnlich dem früher entstandenen Deutschen Orden. Diese Tatsache ist insofern wichtig, weil sie die Grundlage für die Baugestalt der mittelalterlichen Kirche abgibt, die, ummantelt von einem barocken "Überwurf", im heutigen Kirchenbau erhalten ist. Die Ritterstiftung erwies sich jedoch als nicht lebensfähig; das Kloster als Ganzes war hingegen mit Grundbesitz und Vermögenswerten derart dotiert, dass es, wenn auch über Zeitstrecken hinweg nur mühsam, lebendig blieb. Im Mittelalter und bis ins 17. Jahrhundert hinein unbedeutend, fand Ettal um 1700 zu seiner eigentlichen Hochblüte. Nach 1700 gewinnt die Wallfahrt - ihre Wurzeln liegen im späten 15. Jahrhundert - große Ausmaße und 1709 wurde, nachdem in den vorhergehenden Jahren der wirtschaftliche Bereich weitgehend neuorganisiert worden war, eine Schule errichtet, die als sogenannte "Ritterakademie" eine Zwischenform zwischen Gymnasium und Universität darstellte, für einige Jahrzehnte überregionale Bedeutung besaß und eine Reihe bedeutender Gestalten des politischen Lebens in Bayern und Österreich, aber auch darüber hinaus, hervorbrachte. Der geistig-religiöse Aufbruch dieser Zeit schlug sich in der Erneuerung der Klosteranlage im barocken Sinne nieder, wie sie in den Grundzügen bis heute erhalten ist. Die Bekrönung dieser Bestrebungen, die freilich in der Barockzeit nie ganz zum Abschluss kamen, bildete die Neugestaltung der Kirche, eines der bedeutendsten Zeugnisse süddeutscher Barockkultur. Geistiger Urheber der inneren Erneuerung und äußerer Neugestaltung war der hervorragende Ettaler Abt, Placidus II. Seiz (regierte 1709 bis 1736).

Im Gefolge der Französischen Revolution, der napoleonischen Ära und der Neugestaltung des Staates Bayern, wurde auch Kloster Ettal im Zuge der Säkularisation 1803 aufgehoben. Die Gebäudeanlage wurde zum Teil demoliert, die Kirche als Pfarrkirche deklariert, der Grundbesitz vom Staat eingezogen und zum Teil weiterveräußert. Ein Teil der Gebäulichkeiten ging in Privateigentum über.

Es dauerte nahezu ein Jahrhundert, bis am 6. August 1900 in Ettal neues benediktinisches Leben erstand, veranlasst und getragen durch die Abtei Scheyern (40 km nördlich von München) und gefördert und unterstützt durch den Vorbesitzer der Klosteranlage, Freiherrn Theodor von Cramer-Klett. Wenn auch beeinträchtigt durch die Entwicklung der zwanziger Jahre, die NS-Herrschaft und den II. Weltkrieg, konnte Ettal eine fortschreitende Entwicklung bis heute nehmen als christliche Gemeinschaft, in der etwa vier Generationen miteinander leben und versuchen, dem von Kirche und Gesellschaft gestellten Auftrag gerecht zu werden.

Baugeschichte

Wie sich die Klosteranlage baulich entwickelte und zwischen 1400 und 1700 aussah, das gibt ein Stich von 1644 anschaulich wieder. In einem annähernd quadratischen Geviert sind die Gebäude für die unterschiedlichen Bedürfnisse - Wohngebäude der Mönche, Werkstätten, Herberge für die Gäste u. a. - aneinandergefügt, wobei in die Ostseite beherrschend die Kirche eingebunden ist. Diese bildete und bildet einen zwölfeckigen Zentralbau, von einem hohen geschindelten Zeltdach bedeckt. Die Last wird durch Strebepfeiler abgeleitet, die den Kanten des Zwölfecks vorgelegt sind; eingebunden sind sie in einen die ganze Rotunde umlaufenden, doppelgeschossigen Umgang. Östlich war ein kleiner Psallierchor angebunden. Im Inneren trug eine zentrale Säule das sternförmige ausstrahlende Rippengewölbe; an der Säule stand der Hauptaltar.

Diese Grundgestalt der Kirche entstand zwischen 1330 und 1370 (Weihe der Kirche am 5. Mai) und erfuhr gegen Ende des 15. Jahrhunderts Veränderungen und Ergänzungen; zu dieser Zeit wurde auch der erste Turm errichtet, der sich, gekappt, rechts des Kuppelbaus erhalten hat. Aus der Zeit der Gotik kennen wir keine Baumeister; einige erhaltene Steinmetzzeichen lassen auf eine Verbindung mit der Bauhütte des Regensburger Domes schließen. Im frühen 17. Jahrhundert erfolgten im Innern dekorative und einrichtungsmäßige Erneuerungen. Im Zuge der umfassenden Barockisierung kam es seit 1710 zu umfänglichen Baumaßnahmen, die den vorhandenen mittelalterlichen Bestand des Klosters zu einer Dreihöfeanlage umgestalteten.

Der gotischen Kirche wurde zunächst eine schwingende, marmorverkleidete Fassade vorgeblendet und der Nordturm aufgeführt. Der mittelalterliche Psallierchor wurde niedergelegt und an seiner Stelle entstand das Queroval des Chorhauses mit dem anschließenden Sakristei- und Bibliothekstrakt. Das geschah bis 1724, weiteres unterblieb zunächst wegen Geldmangels. Der Architekt dieser ersten barocken Periode der Neugestaltung war der Graubündener Henrico Zuccalli, kurfürstlicher Hofbaumeister in München, der die gesamte Klosteranlage in den bis heute gültigen Grundzügen prägte. Ein Brand im Jahre 1744 zerstörte die im Umbau begriffene Kirche und weite Teile der Klosteranlage.

Der daraufhin einsetzende Neu- und Wiederaufbau stand unter der Leitung des Wessobrunner und Rottenbucher Stiftsbaumeisters Joseph Schmuzer, der das von Zuccalli Beabsichtige, aber noch nicht Durchgeführte zu Ende brachte und das dekorative Gefüge des Kircheninnern anlegte. Dekoration und Ausstattung des Kirchenhauptraumes waren bis 1762 fertig gestellt, so dass in diesem Jahr die Altäre geweiht werden konnten. Zunächst wurde der im Rohbau belassene Chorraum abgetrennt. Abgesehen von seinem Deckenfresko (1769) setzte seine Ausstattung erst Mitte der achtziger Jahre ein, nunmehr schon in kühl gewordenen Formen des frühen Klassizismus. 1790 konnte dann der Gesamtraum der Kirche in Benutzung genommen werden. Noch waren die Fassaden und Türme der Kirche nicht ausgebaut, ebenso die Südseite des großen Hofes vor der Kirche. Die Klosteraufhebung (1803) brachte dann alles Weitere zum Erliegen.

Weiterführendes geschah dann mit dem Ausbau des Nordturmes (1853) und um die Wende des 19. zum 20. Jahrhundert durch den des Südturmes und der Fassade, die freilich bis heute nicht zu Ende geführt wurde. Nach der Wiedererrichtung des Klosters wurden die nach der Säkularisation niedergelegten Teile der Klosteranlage wieder aufgeführt, ein letztes Stück erst 1972 bis 1976. Seit dem II. Weltkrieg hat der gesamte Baukomplex eine fortschreitende Instandsetzung und Erneuerung erfahren, die Kirche im Innern 1967 bis 1969.

Baumeister und Künstler

Von den an Bau und Ausstattung Beteiligten können nur die Wichtigsten genannt werden. Dass für die mittelalterliche Zeit niemand namentlich benannt werden kann, wurde schon erwähnt. Ebenso erwähnt wurden die beiden maßgeblichen Architekten Henrico Zuccalli (um 1642-1742) und Joseph Schmuzer (1683-1752).

Die Stuckdekoration des Innenhauptraums stammt von den beiden bedeutenden Vertretern der Wessobrunner Stukkatoren-Schule Johann Georg Übelher (1703-1763) und Franz Xaver Schmuzer (1713-1775).

Zwei Freskanten sind für die malerische Gestaltung verantwortlich: Johann Jakob Zeiller aus Reutte in Tirol (1708-1783) und Martin Knoller, ebenfalls ein Tiroler (1725 bis 1804). Schuf ersterer die Hauptkuppel, das Stiftungsfresko über dem Chorbogen und das Altarblatt des Sakramentsaltars, so stammen von letzterem die malerische Ausgestaltung des Chorraumes, das Hochaltarblatt und drei weitere Altarblätter.

Der Münchner Bildhauer und "Vater des bayerischen Rokokoplastik" Johann Baptist Straub (1704 bis 1784) gestaltete das Altarensemble in der Rotunde zwischen 1756 und 1762. Weitere Altarblätter stammen von dem fürstlich kemptischen Hofmaler Franz Georg Hermann und von den Brüdern Thomas und Felix Anton Scheffler.

Der Münchner Hofbildhauer Roman Anton Boos gestaltete im späten 18. Jahrhundert die Reliefs am Sockel des Hochaltars und in den Chorwänden.

Aus der einheimischen Künstlerwerkstatt der Zwink kamen die Beichtstühle.

Die Orgel ist ein Werk des schwäbischen Orgelbauers Johann Georg Hörthrich von 1753.

Beschreibung des Äußeren

Die Klosteranlage ist in ihrer Achse west-östlich gelagert. Der Kirche als dem Mittelpunkt ist ein annähernd 100 mal 100 Meter großer repräsentativer Hof vorgelagert. Die verputzten Fassaden sind in Weiß gehalten, von denen sich in Ocker die Gesimse und die Fenster mit ihren für Zuccalli typischen Segmentverdachungen absetzen. Geht man durch das Westtor auf die Kirche zu, kommt man an der sog. "Schwedensäule" vorbei, die an den Schwedeneinfall während des 30-jährigen Krieges 1632 erinnert. Im Blick ist nun über leicht ansteigendem Gelände die Fassade der Kirche mit dem darüber liegenden Kuppelbau. Die doppelgeschössige Fassade wird senkrecht von Halbsäulen zusammengefasst. Sie ummantelt vorspringend den dahinter liegenden Baukörper und schafft mit Rückschwüngen Verbindung zu den Türmen, die auch von ihr umfasst werden. Zwischen den Säulen beziehungsweise Säulenbändern (sogenannten Pilastern) sind Fenster, Blindfenster oder Nischen eingelassen, die Marmorstatuen der zwölf Apostel bergen. Nur die mittlere der drei Portalnischen enthält tatsächlich den Zugang zur Kirche, während die flankierenden beiden auf Mauerwerk stoßen; der ursprünglich geplante Durchbruch zum Kircheninnern gelang aus statischen Gründen nicht.

Die halbvermauerten Rundbogenfenster und der fehlende, bekrönende Abschluss der Fassade geben zu erkennen, dass sie niemals nach den ursprünglichen Absichten fertig gestellt werden konnte; auf diese Tatsache verweisen auch die beiden, in verschiedener Weise 1853 und 1907 ausgebauten Türme, deren oberer Abschluss keineswegs Zuccallis Plänen entspricht. Der rechts des Kuppelbaus in den Blick tretende, mittelalterliche Turm, der seit dem Brand von 1744 ein Zeltnotdach trägt, hätte nach den Absichten der Barockzeit nach Aushau der beiden Türme beseitigt werden sollen. So ist er nun zwar ein ehrwürdiges Zeugnis, wirkt aber für den Gesamteindruck eher störend. Die nahezu 71 Meter hohe, doppelschalige Kuppel überdacht, was so von außen zunächst nicht erkennbar ist, den Kirchenhauptraum. Sie wird von Strebepfeilern abgestützt, die der gotischen Zeit entstammen, in der Barockzeit aber zu geschwungenen Profilen verändert wurden. Auf dem Kupferdach entsprechen diesen Strebepfeilern gliedernde Rippen und auf den Zwischenfeldern sitzen übereinander je zwei Dachluken auf. Die eigentliche Kuppel geht in eine detailliert gegliederte Laterne mit umlaufendem Gitter über, auf die eine obeliskartige Bekrönung mit abschließendem Knauf und Kreuz aufgebracht ist.

Über einige Stufen betritt man durch ein seit der Barockzeit provisorisches Holzportal die Vorhalle, wobei nun der Blick auf das innere Portal in einer gotischen Vorhalle gerichtet wird. Dieses Portal hat sich aus der ersten Bauperiode der Kirche erhalten. Über dem reich gegliederten Gewände, das nach oben spitzbogig ausläuft, erscheint im Feld über der Tür, dem Tympanon, eine Kreuzigungsgruppe, flankiert von dem knienden Stifterpaar Kaiser Ludwig dem Bayern und seiner Gattin Margarete von Holland. Wenden sie sich einerseits dem Gekreuzigten zu, so laden sie andererseits den Beschauer zum Betreten der Kirche ein.

Beschreibung des Inneren

Durch die Lichtfülle von oben wird der Blick eher in die Höhe des Kuppelraums als nach vorne zum Hochaltar gezogen. Zunächst einmal: Der gotische Bau war von der Zwölfzahl bestimmt: Zwölf Seiten und zwölf Kanten; elf Fenster bringen Licht in die Kirche ein. Die zwölfte östliche Seite kann nicht Träger für ein Fenster sein, da sie sich, wie das in anderer Weise beim gotischen Bau der Fall war, auch jetzt mit einen Bogen zum Chorraum öffnet. Den Kanten sind im Haupt- wie im Fenstergeschoß durch die barocke Umgestaltung im Haupt- wie im Obergeschoß säulenartige gestaffelte Bänder (Pilaster) vorgelegt, die den Raum vollends rund erscheinen lassen. In der Höhenausdehnung ist er in vier Zonen gegliedert. Über einer hohen Sockelzone erscheint in größter Höhenausdehnung das Hauptgeschoß, das die Rückwand für die Altarausstattung bildet; getrennt durch ein breites Querband und stark vorspringenden Auflagen (Gebälk) erscheint darüber die Fensterzone, die im östlichen Feld ein Fresko trägt. Darauf liegt, wieder markiert durch eine kräftige Horizontale, die Kuppel auf, in deren unteren Bereich eine gemalte, geschossartige Architekturzone auftaucht. Gestuft geht hier Gemauertes und Stukkiertes in Gemaltes über. Von der Idee des gemalten "Himmels" in der Kuppel soll der Raum unbedeckt wirken; "Wirklich-Festes" geht in "Unwirkliches" über. Damit wird die barocke Absicht deutlich: Himmlisches in die irdische Realität einbrechen zu lassen. Und diesen Himmel, der ja eine geistige Gegebenheit ist, traut sich die Barockzeit noch ganz bildlich-anschaulich in Szene zu setzen, traut sie sich "Oben", "über uns" darzustellen. Im Raum unten steht Festes - die Raumschale an sich mit ihren klaren Konturen - und Bewegtes in Gegensatz. Die Stuckdekoration mit ihren flackernden, züngelnden und zuckenden Formen ebenso wie die Altäre, deren Rahmung in ständiger Schwingung gedacht ist, wie in fortwährender Bewegung empfunden: Nur für einen Moment des Betrachtens halten sie still. Die Heiligengestalten an den Altären, wie in einem Reigen angeordnet, sind dabei, in heiligem Gespräch oder Gesang den Lobpreis Gottes laut werden zu lassen. Nur für einen Moment halten sie inne. Von den jeweils mittleren Altären zu beiden Seiten sind große Vorhangdraperien nach oben zurückgezogen, um den Beschauer den Blick auf die "Szene" der Altarbilder freizugeben.

Die typischen Rokokogebilde der gebrochenen, muschelähnlichen Gebilde ("Rocaille" nennt das die Fachsprache) überspielen das Hauptgesims, durchbrechen die Fensterbogen, garnieren goldhinterlegt die Bogenfelder: Allenthalben ständige Bewegung vor festem Hintergrund. Die Putten an den Emporen und an Straubs Altären bilden ein weiteres Element der Bewegtheit.

Die zweimal drei Seitenaltäre, jeweils in sich asymmetrisch, bilden als Dreiheit in sich ein geschlossenes, doch wieder symmetrisches Ganzes. Links ist dazwischengefügt die schwungvoll bewegte Kanzel mit den Evangelistensymbolen und bekrönt mit dem Bekämpfer des Bösen, dem Erzengel Michael; in all dies eingebunden wahrt die Kanzel doch ihr Eigengewicht. Sechs der elf Wandfelder sind durch die Altargruppen besetzt, drei werden durch die weit in den Raum vorschwingende, auf vier Marmorsäulen aufsitzende Orgelempore umfasst, die ihrerseits von zwei kleineren Emporen flankiert wird, die keinem anderen Zweck dienen, als ein gliederndes Architektur- und Dekorationselement zu sein. Im rückwärtigen Bereich fallen, völlig wandgebunden, die Beichtstühle auf, die durch ihren warmen, braunen Furnierton mit weißen und goldenen dekorativen Bekrönungen noch einen eigenen Akzent einbringen. Dekoration und Ausstattung des Hauptraumes sind als ein organisches Ganzes entworfen und empfunden, Altäre und Beichtstühle wachsen gewissermaßen aus der Architektur heraus und sind in keiner Weise in den Raum gestellte Versatzstücke. Nur der Taufstein mit der volkstümlichen Schnitzgruppe „Taufe Jesu durch Johannes den Täufer“ wirkt wie zufällig an seinen Platz gestellt: Die Barockzeit maß dem Taufstein nicht die Bedeutung zu wie das Mittelalter oder wie das heute wieder der Fall ist. Der farbliche Grundakkord des Raumes sind höfisches Weiß und Gold, nur auf den Pilastern mit Altrosa und Altgrün leicht überhöht: Die Altäre liefern mit gedämpfterem Altrosa und Graugrün einen untergeordneten Gegenakzent. Die Holzaufbauten (Retabel) dieser Altäre sind in Marmorfassung gehalten, die Heiligenstatuen wie Alabasterfiguren weißgrau gefasst: Dieser Effekt des schönen Scheines, der auf "echte" Materialien verzichtet, ist bewusst gestaltet, um das Vorübergehende dieses barocken "Heiligen Theaters" augen- und sinnenfällig zu machen. Für die Menschen des 18. Jahrhunderts, die Weidebauern und Holzarbeiter der Umgegend, die kaum ihre wenigen Quadratkilometer ihrer Lebensumgebung verließen, sollte das ein sinnenhaftes, begeisterndes Erlebnis in religiösem Sinne sein.

Das bildhaft Wahrnehmbare hat nun auch belehrenden Charakter: Die gottesdienstliche Gemeinde findet sich, versammelt im Gestühl vor: Sie sieht sich gegenüber der leiblichen Familie Jesu (Altar rechts vom Chorbogen: Heilige Familie) und der Jüngergemeinde (Altar links vom Chorbogen: Der Auferstandene im Kreise seiner Jüngerfreunde) und der Repräsentanten der geistlich-geistigen Geschichte der Kirche, ihrer Heiligengestalten: Der Kirchenleiter, der Bischöfe (mittlerer Altar links) und in einer Benediktinerkirche natürlich Vertreter dieser geistlichen Gemeinschaft (der Tod Benedikts am Mittelaltar rechts), schließlich der männlichen (rechts außen) und weiblichen (links außen) Blutzeugen, die mit ihrem Leben für Glaube und Überzeugung einstanden. Über allem wölbt sich riesig der "Himmel", auf dem die Glorie, die Herrlichkeit der benediktinischen Gemeinschaft in ihrer Geschichte dargestellt ist: Hunderte von Benediktinern und ihrer verwandten Gemeinschaft, von ihnen zugeordneten bedeutenden Gestalten im Lobpreis der göttlichen Trinität. In Blickrichtung zum Chorbogen ist in triumphierendem Gestus der Vater der benediktinischen Gemeinschaft, Benedikt von Nursia, wahrzunehmen, aufschauend zur Heiligsten Dreifaltigkeit, wobei das Ettaler Gnadenbild, herbeigebracht durch einen Engel, nicht fehlen darf. Hervorzuheben ist noch rechts, in etwa in der Querachse des Kuppelgemäldes, die heilige Scholastika, die Schwester Benedikts und Urheberin des weiblichen Zweiges der Benediktiner. Alles in allem bewegen sich 431 Gestalten auf diesem Kuppelgemälde, das von l. J. Zeiller in vier Sommerhalbjahren, vielleicht mit fünf bis sechs Gehilfen geschaffen wurde. Der Ursprung von Kloster und Kirche wird mit dem Wandbild über dem Chorbogen deutlich, wo die Gründungslegende dargestellt ist: Ein Engel im Mönchsgewand überbringt dem Kaiser die Marmormadonna mit dem Auftrag, das Kloster zu gründen. Auch dies ist mit großer, theaterhafter Geste dargestellt. Umrahmt ist das mit einem Rahmen in kräftig-bewegten Stuckformen, ebenso wie darunter das Wappenfeld, das auf dem Chorbogenscheitel aufsitzt und das gekoppelte Wappen des Klosters und des Abtes Benedikt III. Pacher (reg. 1739-1759), unter dem sich die Raumausstattung vollzogen wurde, birgt: Ein Einhorn (Symbol für Jesus Christus) verneigt sich vor dem Standbild der Ettaler Madonna. Unter dem Chorbogen steht seit 1968 der Hauptaltar der Kirche. Er entspricht den Absichten des II. Vatikanischen Konzils hinsichtlich der Erneuerung des Gottesdienstes und lässt eine enge Verbindung von gottesdienstlicher Gemeinde und ihrem Vorsteher, dem Priester, zu. Der Altar (Wappen Abt Karl Groß, reg. 1961-1973) ist eine neu entstandene Arbeit, nachempfunden den Formen der mittleren Seitenaltäre.

Hinzuweisen ist noch auf die prächtig gerahmte Orgel, ein original erhaltenes Werk von Georg Hörterich.

Der im Verhältnis zum Hauptraum sehr enge Chorbogen führt in das Queroval des Hochaltarraumes. Hier tut sich eine völlig andere Stimmung und ein gegensätzlicher Charakter kund durch die Ausstattung, die einer anderen Stilperiode, der des frühen Klassizismus angehört: Nichts mehr von bewegten, vitalen Formen, sondern kühle, vornehme Strenge, etwas trocken und phantasielos. Das Gewände dieses Chorraumes, das die Zonengliederung des Hauptraumes in den Grundzügen übernimmt, wirkt wie eine nach innen gewendete Palastfassade, wenn auch hier der "offene Himmel" des Deckengemäldes den ernsten Eindruck etwas aufhellt. Das Sockelgeschoss besteht, wie der Hochaltar aus echtem Material, hier schwarzer italienischer, dort Ettaler Marmor, der bis ins 19. Jahrhundert zwischen Ettal und Oberammergau gebrochen werden konnte; die oberen Zonen sind in Stuckmarmor (einer polierten Gipsmasse) gefertigt. Stuckplastiken täuschen Knollers Tugendgestalten in Tonmalerei oben zwischen den Fenstern vor. Von belebter Farbigkeit das Deckenbild: Christus eilt im Kreise alttestamentlicher Gestalten seiner in die Ewigkeit eingehenden Mutter Maria entgegen, dies auf dem Hochaltarbild dargestellt. Decken- und Altarbild ergeben so eine sinngemäße Einheit, womit bildhaft die Realität des Raumes durchbrochen erscheint. Das Altarbild bleibt in seiner kühlen Haltung freilich etwas zurück gegenüber der intensiven Farbigkeit des Deckenbildes. Ursprünglich war an eine plastische Behandlung der Hochaltardarstellung gedacht, was vermutlich sehr viel temperamentvoller ausgefallen wäre (Zeichnung dazu von Ignaz Günther.) Der Aufbau des Hochaltars in massivem Marmor ist als Triumphbogenarchitektur aus der Raumgliederung entwickelt und wächst gleichsam aus dem Gewände heraus. Nicht seine sichtbare Ausführung, aber wohl seine Grundform ist der Idee Henricco Zuccallis entsprungen. Auf der Altarmensa steht wie ein tempelartiges Gehäuse die Tabernakelanlage für das Sanctissimum und für die Nische, die das kleine, aber monumentale Gnadenbild, die Ettaler Madonna birgt, von rückwärts aus freilich kaum erkennbar. Diese "Kaisermadonna", die für das Mittelalter auch nach damaliger Vorstellung den gottgegebenen, kaiserlichen Machtanspruch versinnbildet, ist der Mittelpunkt Ettals von Anfang an. Ursprünglich farbig bemalt, ist sie seit der Barockzeit bekleidet. Künstlerisch gesehen ist sie ein Zeugnis dafür, dass man in Italien seit dem späten 13. Jahrhundert begann, sich an den Formen der Antike wieder zu orientieren. Bald nach 1300 in einer Werkstatt in Pisa entstanden, ist diese Statuette vermutlich ein Geschenk der kaisertreuen Stadt Pisa an Ludwig den Bayern.

Die Ettaler Kirche, eingebettet in die Klosteranlage, ist in ihrer gotischen Ursprungsform und deren barocken Umgestaltung gleich ungewöhnlich und in dieser Weise kaum vergleichbar. Als Baudenkmal gehört sie zu den bedeutendsten Zeugnissen süddeutschen Barocks. Die sehr köstliche und delikate Innenausstattung des Kuppelbaus ist ein Zeugnis dafür, wie Rokokoformen aus dem höfischen Bereich - Impulse gingen da vor allem von der Haupt- und Residenzstadt München aus - in einen Kirchenraum umgesetzt werden. So wird ein Dokument lange gewachsener Kultur sichtbar, darüber hinaus aber ein Mittelpunkt und Brennpunkt kirchlichen und benediktinischen Lebens.

Alle Angaben basieren auf Daten aus der offiziellen Homepage des Kloster Ettal unter www.kloster-ettal.de, Stand Mai 2005, Druckfehler und Änderungen vorbehalten.

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